Artikel

Geringere Latenzzeiten und optimierte Konnektivität: Warum direkter Datenaustausch das Wirtschaftswachstum ankurbelt

Ivo Ivanov, CEO of DE-CIX
3. April 2024

Im globalen Wettbewerb um Unternehmensansiedlungen und die Gewinnung von Talenten sollten Städte über einen entscheidenden Vorteil verfügen: nahtloser Internetzugang und erstklassige Konnektivität. Unternehmen benötigen eine optimale Leistung ihrer Geschäftsanwendungen und bestmögliche Konnektivität zu Clouds und Partnerunternehmen zu einem erschwinglichen Preis. Ihre Mitarbeitenden benötigen auch nach Feierabend eine hervorragende Konnektivität für digitale Unterhaltung, E-Commerce und Kommunikation. Die lokale Zusammenschaltung von Netzwerken über einen Internet Exchange (IX) optimiert die Konnektivität. Bei der Geschwindigkeit der Datenübertragung zählt jede Millisekunde. Dabei spielt die Latenzzeit eine große Rolle. Also die Zeit, die Daten für die Strecke zur Verarbeitung an ihrem Bestimmungsort und wieder zurück benötigen. Durch den direkten Austausch des Datenverkehrs mit anderen Netzen an einem IX können Netzbetreiber und ihre Unternehmenskunden die Konnektivität verbessern und sichere sowie kurze Datenwege gewährleisten. IXs fördern zudem die Entwicklung eines gesunden Wettbewerbs und eines lokalen digitalen Ökosystems bei gleichzeitiger Kostensenkung. Städte, die sich zu einem attraktiven Internet-Hub für Unternehmen und Leistungsträger entwickeln wollen, sollten direkte Interconnection bereitstellen, erklärt Ivo Ivanov, CEO von DE-CIX.

Zweifelsfrei ist die exzellente Konnektivität in einer Stadt wichtig, um im Wettbewerb um Unternehmen und Talente die Nase vorn zu haben. Nach dem OECD Talent Attractiveness Index ist der Internetzugang ein Maß für die relative Attraktivität einer Stadt. Für Digitale Nomaden sind die Lebenshaltungskosten und schnelles, zugängliches Internet die beiden wichtigsten Faktoren bei der Wahl eines neuen Standorts. Für Unternehmen spielen neben dem immer wichtiger werdenden Zugang zu Talenten auch viele weitere Faktoren eine Rolle, etwa das regulatorische Umfeld, die Lieferketten und die Verkehrsinfrastruktur. Eine Grundvoraussetzung für fast alle diese Faktoren ist eine leistungsfähige, zuverlässige, belastbare und sichere Konnektivität, die für alle Geschäftsprozesse in der modernen Welt unerlässlich ist und bleibt.

Internet-Infrastruktur: Der Schlüssel zum Potenzial einer Stadt

Die Fähigkeit einer Stadt, sich zu einem technologischen Vorreiter und Internet-Hub in ihrer Region zu entwickeln, hängt von der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit ihrer Konnektivitätsinfrastruktur ab. Internet Exchanges, die Netze zum Austausch von Datenverkehr zusammenführen, unterstützen diese Entwicklung. IXs verbessern die Geschwindigkeit und Leistung von Verbindungen zu Inhalten, Clouds und digitalen Diensten, indem sie optimierte Datenpfade sicherstellen. Sie machen es somit überflüssig, dass Daten für den Austausch zu weit entfernten Hubs – über Landesgrenzen und sogar Ozeane hinweg – transportiert werden müssen. Die lokale Zusammenschaltung innerhalb eines vielfältigen Ökosystems schafft auch neue, redundante Wege für die Daten, was zu einem stabileren Netz führt und die Ausfallsicherheit der Konnektivität erhöht. Die Förderung des Wettbewerbs auf dem Konnektivitätsmarkt hat den zusätzlichen Vorteil, dass die Kosten sowohl für die Netzbetreiber selbst als auch für ihre Endkunden sinken.

Die Datengravitation magnetisiert eine Stadt

In den letzten rund 30 Jahren des kommerziellen Internets sind weltweit starke Internet-Hubs entstanden, in deren Zentrum Internet-Exchanges stehen. Dieses Modell des kostenneutralen Datenaustauschs zwischen Netzen über einen IX begann mit Weltstädten wie Washington, New York, Frankfurt, Amsterdam und London – Städte, in denen die bestehende Konzentration von Telekommunikationsnetzen zu massiven Investitionen in Rechenzentren führte, woraufhin sich immer mehr Netze und Technologieunternehmen in ihrer Umgebung ansiedelten. Diese und weitere Städte gehörten zu den ersten Standorten, die die Kraft der "Datengravitation" zur Förderung des Wirtschaftswachstums demonstrierten. In Asien sind Singapur und Tokio weitere Beispiele für heute hoch entwickelte internationale Internet-Drehscheiben.

Infolge dieser Entwicklung entstanden neue Internetknotenpunkte an Orten, die historisch keinen Vorsprung hatten. Großstädte in sich schnell entwickelnden Ländern wie Sao Paolo und Mumbai und an strategischen Standorten für globale Verkehrsströme wie Dubai führten anschließende Wellen der Entwicklung von Internetknotenpunkten an. Einige dieser Städte und die mit ihnen verbundenen IXs haben sich inzwischen fest als Gravitationszentren etabliert, die internationale und nationale Netzwerke und Technologieunternehmen anziehen. Weitere Städte dieser Kategorie werden folgen, wie z. B. Mexiko-Stadt, wo es bisher keinen IX mit ausreichendem Potenzial gab. Nun setzt mit der Einrichtung regionaler Internetknotenpunkte eine weitere Welle ein, die der lokalen Bevölkerung – oft in ländlicheren Gebieten – Verbindungen mit geringer Latenzzeit bieten, die moderne Anwendungen ermöglichen. Wenn sich diese IXs im Laufe des nächsten Jahrzehnts weiterentwickeln, werden sie zur Zentrale für den regionalen Datenaustausch, was wiederum größere Investitionen in Rechenzentren und den Netzausbau sowie die Ansiedlung von Unternehmen begünstigt und in Folge mehr Talente in diese Regionen lockt.

Wie sich Städte für eine prosperierende Zukunft entwickeln können

Wie sich ein IX auf die Entwicklung einer Stadt auswirkt, zeigt das Beispiel Dubai: Der UAE-IX, der von DE-CIX in Dubai betrieben wird, befindet sich nun im zweiten Jahrzehnt seines Bestehens und hat zu einem tiefgreifenden Wandel der Stadt beigetragen. Der IX in Dubai wurde im Jahr 2012 quasi auf der „grünen Wiese“ errichtet. Die Internetnutzer in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) mussten auf digitale Inhalte und Dienste aus Asien, Europa oder den USA zugreifen, was zu inakzeptabel hohen Latenzzeiten und extrem hohen Kosten für den Internetzugang führte. Der Wandel begann mit der lokalen Zusammenschaltung von Netzen im Nahen Osten über das IX und der Förderung transkontinentaler Netze bis an die Küste der Stadt. Es folgten der Ausbau von Rechenzentren in der Stadt (die sich innerhalb eines Jahrzehnts mehr als verdreifachten) und die allmähliche Lokalisierung von Inhalten, d. h., Content-Netzwerke begannen damit, beliebte Inhalte in Dubai zwischenzuspeichern, um eine bessere Leistung für lokale Nutzer zu gewährleisten. Es folgte die Lokalisierung von Cloud-Anbietern zur Unterstützung einer wachsenden Zahl von Unternehmensnetzwerken. Durch die kürzeren Entfernungen, die die Daten zurücklegen müssen, sanken die Kosten für die lokalen Netze und damit auch die Kosten für die Konnektivität der lokalen Nutzer.

Konkret bedeutet dies: Im Jahr 2012 mussten 90 Prozent des lokalen Datenverkehrs außerhalb des GCC (Gulf Cooperation Council) – nach Europa, Asien oder Nordamerika – transportiert werden, um ausgetauscht zu werden. Dieser Umweg führte zu großen Verzögerungen, schlechter Internetleistung und regelmäßigen Ausfällen. Heute bleiben 90 Prozent der lokal gebundenen Daten lokal, was bedeutet, dass die Latenzzeit für Inhalte von 200 Millisekunden (ms) auf 3 ms gesunken ist. Die Preise für den internationalen IP-Transit sind um 98 Prozent gesunken, die Preise für Breitband-Internet um etwa 85 Prozent. Die Internetdurchdringung in den VAE liegt heute bei fast 100 Prozent. Sicherlich ist das kometenhafte Wachstum Dubais in den letzten zehn Jahren nicht nur auf die Einrichtung eines IX zurückzuführen: Die Regulierungsbehörden haben Maßnahmen ergriffen, um die Vorschriften zu modernisieren und Dubai in vielerlei Hinsicht für Unternehmensansiedlungen attraktiver zu machen.

Aber das ist noch nicht alles ...

Nach einem Jahrzehnt der Entwicklung ist das Endergebnis für Dubai, dass das Nicht-Öl-Bruttoinlandsprodukt der VAE in zehn Jahren um 35 Prozent wuchs. Die Zahl der internationalen Organisationen, die ihren globalen Hauptsitz in den VAE einrichteten, ist um über 700 Prozent gestiegen und die Zahl der internationalen Universitäten verdoppelte (von 5 auf 10) sich. Dementsprechend ist auch die Zahl der Studierenden im Hochschulbereich um 714 Prozent auf fast eine Million angestiegen.

Mit der zunehmenden Ansiedlung von Unternehmen und leistungsstarken Individuen in einer Stadt wächst der Bedarf an lokalen digitalen Dienstleistungen – von Rechenzentren und zusätzlichen Konnektivitätsdiensten über Systemhäuser digitales Marketing und Personalagenturen bis hin zu modernen Transportmitteln und Smart-City-Szenarien – und führt zur Gründung neuer Unternehmen, die diesen Bedarf decken. Mit der zunehmenden Digitalisierung steigt auch die Nachfrage nach digitalen Geschäfts- und Unterhaltungslösungen, was die Lokalisierung von Inhalten und Clouds fördert und das Ökosystem weiter stärkt. Auf diese Weise ermöglicht die lokale Vernetzung die Entwicklung einer Datengravitation: Je mehr Daten lokal ausgetauscht werden, desto mehr Daten werden in den entstehenden Hub gelockt.

Fazit

Die digitale Wirtschaft ist zum Rückgrat des Wirtschaftswachstums der Zukunft geworden, und kein Sektor kann es sich leisten, den Anschluss an die Digitalisierung zu verpassen. Der wachsende Datenverkehr im Internet, zunehmend latenzempfindliche Anwendungen und steigende Sicherheitsanforderungen erfordern eine lokale Zusammenschaltung über leistungsfähige Internetknoten. Internet Exchanges können auch das Wachstum einer lokalen digitalen Wirtschaft, den Zugang zu Clouds und Inhalten sowie eine bessere Konnektivität erleichtern und den Standort im harten globalen Wettbewerb um Unternehmen und Talente unterstützen.