Neue Technologien sind seit jeher eine Quelle der Inspiration für die Architekten des Internets und treiben die rasante Entwicklung digitaler Services voran. Doch oft werden sie aus wirtschaftlichen Gründen oder wegen fehlender fachlicher Kommunikation zwischen den Experten isoliert adaptiert und weiterentwickelt. Das führt dazu, dass verschiedene Varianten derselben Technologie nebeneinander existieren, ohne ihr Potential durch Interoperabilität zu nutzen. Aktuelle Beispiele dafür sind die Cloud-Infrastrukturen unterschiedlicher Anbieter, die nicht direkt miteinander kommunizieren und Daten austauschen können. Die Geschichte zeigt jedoch, dass Infrastrukturen, egal welcher Technologie (Straße, Strom, Wasser, Internet) erst dann ihren vollen Wert entfalten können, wenn sie interoperabel sind und von Kunden einfach konsumiert werden können.
Interoperabilität ist das Ziel technologischer Entwicklung
Um unterschiedliche Systeme zusammenarbeiten zu lassen, braucht es Interoperabilität für Infrastrukturen. Dies erfordert das Schaffen gemeinsamer Standards. Diesen Prozess können wir bis zu den Ursprüngen des Internets nachvollziehen. Das heutige Internet – das Netz der Netze – war anfangs nur eine Sammlung von einzelnen Computer-Verbindungen. Die Vielfalt an Schnittstellen, Paketgrößen, Kennzeichnungen und Übertragungsraten der frühen Netzanbieter verhinderte eine Interaktion. Erst als man sich auf ein einheitliches Protokoll (TCP IP) einigte, konnte man verschiedene Netze miteinander verbinden. Der Findungsprozess gemeinsamer Standards ging mit Routern verschiedener Hersteller, die auch andere Protokolle einsetzen konnten und so eine größere Interaktion ermöglichten, einen weiteren Schritt (BGP). Dies führte zur Herstellung einer Kommunikation zwischen den Routern und erleichterte den Datenaustausch zwischen den verschiedenen Netzwerken – womit das Peering an Internet Exchanges (IXs) geboren war.
An diesen IXs können verschiedenste Netze – von 3G- zu 5G-, im Bereich der Mobilfunknetze, bis hin zu Satelliten- und Fiber Backbone-Netzen, einschließlich der Internetservice Provider – Daten austauschen. Dies geschieht auf dem direktesten und somit schnellsten Weg und spart Kosten für die beteiligten Akteure. Mit dem Austausch von Daten an Internetknoten wird die Latenz minimiert, was für viele digitale Anwendungen entscheidend ist. Wir profitieren deshalb nicht nur vom Videostreaming in hoher Auflösung, sondern können auch in Zukunft zuverlässig auf Applikationen basierend auf künstlicher Intelligenz zugreifen. Eine rasche Datenverarbeitung im Millisekunden-Bereich, etwa beim autonomen Fahren mit KI, wird kritische Bedeutung haben. Internetknoten können heute aber auch exklusive Vernetzung möglich machen und entweder zwei Netzwerke über virtuelle Punkt-zu-Punkt-Verbindungen koppeln, oder verschiedene Akteure einer Wertschöpfungskette innerhalb einer privaten Gruppe, einer sogenannten Closed User Group (CUG), verbinden. Interoperabilität ist für all diese Formen des Datenaustauschs unerlässlich.
Cloud-Verbindungen sind der nächste Schritt
Analog zu den Anfängen des Internets wächst heute auch bei der Nutzung von Clouds der Bedarf nach Standardisierung und Interoperabilität. Dies betrifft vor allem Unternehmen, die in ihre Cloud-Strategie die Dienste verschiedener Cloud-Anbieter einbeziehen. Das ist grundsätzlich eine sinnvolle Entscheidung, um die Geschäftsfähigkeit auch bei einem Ausfall der Infrastruktur eines Anbieters zu sichern. Doch wenn Anwendungen aus verschiedenen Cloud-Umgebungen miteinander interagieren sollen, treten die großen Probleme auf, die ein Mangel an Interoperabilität mit sich bringt. In Unternehmen werden oft mehrere Clouds für unterschiedliche Anwendungsfälle eingesetzt, die nicht von Grund auf für Interoperabilität konzipiert wurden. In der Praxis bedeutet dies, dass für jede einzelne Applikation und für jeden Workload, der auf mehr als eine Cloud zugreift, umständlicher Programmieraufwand betrieben werden muss, um diese Interaktion zu ermöglichen. Unternehmen setzen hier Ressourcen ein, die bei der Verfolgung ihrer Geschäftsziele sicherlich besser aufgehoben wären.
Interoperabilität ist also auch im Cloud-Segment ein entscheidendes Kriterium, um alle Möglichkeiten effizient zu nutzen. Ein Cloud Routing-Service, der auf einer Cloud Exchange-Plattform integriert ist, ermöglicht die Interaktion von verschiedenen Cloud-Umgebunden mit der geforderten Qualität. Mittels eines solchen Dienstes wird auf der Netzwerk-Ebene eine Umgebung geschaffen, in der die Clouds diverser Betreiber Daten tauschen, als ob sich alles in einer einzigen Cloud befände. Für das Unternehmen entfällt also ein großer Teil des Mehraufwands, der mit der beschriebenen Alternativlösung einhergeht.
Es zeigt sich, dass der Markt Lösungen findet, wenn die Standardisierungsprozesse nicht oder zu langsam der Nachfrage nach Interoperabilität folgt oder wenn wirtschaftliche Interessen einzelner Betreiber dagegenstehen. Daher ist es sinnvoll, in die Zukunft zu blicken, in der weitere Lösungen benötigt werden.
Ein Blick in die Zukunft
Ein weiterer Schritt für umfassende Interoperabilität muss im Bereich im Bereich der SD-WAN-Konnektivität gemacht werden. Das Interesse an SD-WAN – oder auch der neueren Generation „Secure Access Service Edge“ (SASE) – steigt. SD-WAN ist im Vergleich zu anderen Technologien wie z.B. MPLS viel flexibler und günstiger und vor allem für Unternehmen und Start-Ups mit einem Datenaustausch von bereits ungefähr 10 Gbit/s interessant. Weil es sich um eine softwarebasierte Lösung handelt, können Anpassungen innerhalb von Minuten vollzogen werden, die bei der Verwendung von anderen Technologien deutlich mehr Aufwand und Zeit erfordern. Sicherheitsvorteile dank Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der Verbindungen und Performance-Vorteile aufgrund direkter Konnektivität unterstreichen das Potenzial von SD-WAN-Technologien.
Sicherheitsvorteile dank Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der Verbindungen und Performance-Vorteile aufgrund direkter Konnektivität unterstreichen das Potenzial von SD-WAN-Technologien. Mit SD-WAN wird basierend auf bereits etablierter, interoperabler Internet-Infrastruktur ein dezidiertes Netzwerk-Overlay hergestellt, das mithilfe von Software gesteuert wird.
Das schnelle Wachstum des SD-WAN-Markts und erste Umsetzungen für Unternehmen in der Praxis zeigen, dass die Nachfrage nach der Interaktion verschiedener SD-WAN-Technologien stark ansteigt. Bisher gibt es jedoch keine gemeinsamen Standards, wenn es etwa um die Interoperabilität verschiedener SD-WAN-Technologien geht.
Fazit
Interoperabilität ist das logische Ergebnis der Evolution von Technologien, insbesondere im Infrastrukturbereich. Die Fähigkeit, verschiedene Versionen einer Technologie zusammenarbeiten zu lassen, ist seit jeher der Schlüssel für ein vernetztes Internet. Das Verbinden verschiedener Netze zur Kommunikation miteinander und der Datenaustausch mittels Peering haben dies schon in den Anfängen des Internets gezeigt. Wenn die Nachfrage nach Interoperabilität so groß ist, dass der Standardisierungsprozess nicht Schritt halten kann, findet der Markt Alternativen. Dies sieht man derzeit bei Multi-Cloud-Szenarien, wo ein Cloud Routing-Dienst die erforderliche Vermittlung zwischen verschiedenen Cloud-Infrastrukturen übernimmt. In Zukunft wird sich auch im Bereich der SD-WAN-Konnektivität Ähnliches ereignen.
DE-CIX unterstützt Standardisierungsverfahren und fördert neue Brückenlösungen zur Bereitstellung von Interoperabilität im Bereich der Infrastruktur. Ein Beispiel dafür ist die IX-API, die DE-CIX in Kooperation mit weiteren Internetknoten-Betreibern entwickelte, um die Standardisierung der Telekommunikationsindustrie voranzutreiben. Globale Standards sorgen dafür, dass das Internet auch wirklich global vernetzt wird. Aus diesem Grund ist DE-CIX auch aktiver Teil internationaler Standardisierungsgremien, z. B. der IETF, der ENISA, ISOC oder der Internet-Infrastruktur-Arbeitsgruppe der deutschen Wirtschaft. Eine Zusammenarbeit der operativen und wissenschaftlichen Internet-Community, sowie das Teilen von Wissen zur Erarbeitung gemeinsamer Standards lässt uns gemeinsam das Internet von morgen gestalten.