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KI auf Hochtouren: Digitale Infrastruktur als Schlüsselressource für die Industrie 

Ivo Ivanov, CEO DE-CIX
April 2025

Ob Fertigung, Logistik oder Entwicklung – die Hannover Messe 2025 bot einen eindrucksvollen Einblick in die aktuellen Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Industrie. Roboter übernehmen Schweißarbeiten, Chatbots unterstützen beim Design, und intelligente Systeme optimieren ganze Prozessketten. Doch bei all dem technologischen Fortschritt bleibt eine zentrale Herausforderung bestehen: Wie gelangen Daten in Echtzeit an die richtigen Stellen? Die Antwort führt direkt zur digitalen Infrastruktur – diese wird zum Rückgrat einer zukunftsfähigen, intelligenten Produktion. Welche Rolle dabei Internetknoten von DE-CIX spielen und warum leistungsfähiges Peering unverzichtbar ist, erklärt CEO Ivo Ivanov bei einem Rundgang über die Messe.

Wasserdampf spielt eine zentrale Rolle in zahlreichen Prozessen in der Chemiebranche – sei es beim Betrieb von Reaktoren, bei der gezielten Stofftrennung oder beim Destillieren. Doch seine Erzeugung hat ihren Preis: Sie erfordert viel Energie. Zudem ist der Dampf nur kurzzeitig speicherbar, was eine punktgenaue Produktion erschwert. Hier kommt Künstliche Intelligenz ins Spiel – und macht den Umgang mit technischem Dampf deutlich effizienter. Mithilfe von Datenanalysen lässt sich exakt steuern, wann und wie viel Dampf tatsächlich benötigt wird. So kann er bedarfsgerecht erzeugt werden, was Energie spart und Überproduktion vermeidet. Weniger heiße Luft durch KI? Im wahrsten Sinne. Die Hannover Messe hat eindrucksvoll gezeigt, welche Kraft KI in der Industrie bereits entfalten kann. Die Technologie ist an manchen Stellen schon nicht mehr wegzudenken.

Vom Büro über die Cloud bis zur Produktionshalle in der Fabrik: Unternehmen in Deutschland haben ihre Prozesse umfassend automatisiert, elektrifiziert und digitalisiert – mit messbarem Erfolg. Laut LBBW Research wird das Marktvolumen jener deutschen Firmen, die auf digitale Technologien setzen, bis 2028 im Schnitt auf rund 18 Milliarden Euro steigen – das entspricht einem jährlichen Wachstum von etwa zehn Prozent. Und dieser Kurs hält an. Denn KI und Daten sind längst fester Bestandteil industrieller Abläufe, in jedem Prozessschritt. Sie übernehmen Aufgaben wie die vorausschauende Wartung von Anlagen, das automatische Management von Lagerbeständen, die Simulation von Verfahren im digitalen Zwilling oder die Qualitätsüberwachung von Produkten. Und das zeigt sich auch in der Praxis: Autonome Roboter bewegen Bauteile präzise an den richtigen Ort, kollaborative Roboter – sogenannte Cobots – arbeiten beim Schweißen, Bohren und Fräsen direkt mit Menschen zusammen.

Chatbots auf dem Weg zur Perfektion

Was per se nicht sichtbar ist, rückten Cloud-Anbieter auf der Messe in den Fokus: Algorithmen, die in Rechenzentren oder am Edge im Verborgenen arbeiten. Dort analysieren sie Daten, erkennen Muster, berechnen Wahrscheinlichkeiten und entwickeln sich selbstständig weiter. Das Ziel ist dabei immer, Prozesse zu automatisieren und zu perfektionieren. Doch wie lässt sich diese Entwicklung erfahrbar machen? Zum Beispiel durch intelligente Chatbots mit echten Anwendungsszenarien: Der Automatisierungs-Experte Beckhoff etwa setzt auf smarte Assistenten, die grafische Benutzeroberflächen erstellen – eine einfache Handskizze reicht als Vorlage. Festo, ebenfalls ein Unternehmen aus dem Bereich Automation, verknüpft Konstruktions- und Produktionsdaten mit seinem virtuellen Assistenten, der daraufhin passende Lösungen vorschlägt. Und SAP bringt mit dem Bot Joule mehr Sicherheit ins Product Lifecycle Management: Der Bot simuliert unterschiedliche Risiko-Szenarien („Revenue at Risk“) und unterstützt so fundiertere Entscheidungen.

Microsoft und Rolls-Royce optimieren Produktionskapazitäten mit KI

Wie sich mithilfe von KI nicht nur Risiken senken, sondern auch Umsätze steigern lassen, präsentierten Microsoft und Rolls-Royce direkt am Messestand. Der britische Triebwerkshersteller Rolls-Royce hat seine bislang isolierten Datensysteme aufgelöst, sie in einer Cloud-Infrastruktur zusammengeführt und mit skalierbaren KI-Modellen verknüpft. Das Ergebnis: Rolls-Royce nutzt Informationen im Engineering und lastet Produktionskapazitäten besser aus. Was früher mehrere Tage beanspruchte, gelingt inzwischen in wenigen Minuten – möglich macht das die Kombination aus Cloud-Computing und Künstlicher Intelligenz.

Was auf der Hannover Messe kaum sichtbar war, aber dennoch essenziell ist: die Netzwerkinfrastruktur, die all die sichtbaren Innovationen erst möglich macht. Denn ob Roboter, Chatbots oder intelligente Dampfanlagen – sie alle sind auf reibungslosen Datenaustausch angewiesen. Konnektivität ist der unsichtbare Motor der digitalen Industrie: Sie verknüpft CNC-Maschinen, Steuerungen, Lagersysteme, Transportbänder und komplette Anlagen mit Cloud- und Edge-Devices. Erst dadurch wird es möglich, Daten effizient zu übertragen und mit smarten Services wirtschaftlich zu nutzen. Warum das gerade jetzt so entscheidend ist? Weil für den Erfolg von KI jede Millisekunde zählt. Die Dauer der Datenübertragung im Netz – die sogenannte Latenz – kann den Unterschied machen. Untersuchungen von Meta zeigen: KI-Modelle warten im Schnitt 33 Prozent ihrer Zeit auf Netzwerke. Ein enormer Verlust an Effizienz, vor allem in Echtzeit- und sicherheitskritischen Anwendungen, wo Zeit bares Geld bedeutet.

Weniger Wartezeit, mehr Leistung: Wie Peering digitale Infrastruktur beschleunigt

Damit digitale Anwendungen und Services reibungslos funktionieren, arbeiten Anbieter wie DE-CIX kontinuierlich daran, Netzwerklatenzen zu senken. Ziel ist es, Daten, Anwendungen und Nutzer räumlich näher zusammenzubringen. Denn je kürzer der Weg zwischen Cloud, Edge und Shop-Floor, desto schneller gelangen Informationen ans Ziel. Um Wartezeiten zu minimieren, braucht es mehr Rechenzentren, flächendeckende Glasfaser, leistungsfähige Breitbandverbindungen, 5G-Mobilfunk sowie Low-Earth-Orbit-Satelliten (LEO), die Netzlücken schließen und Infrastruktur flexibel verknüpfen. Ein zentrales Instrument dabei ist Peering. Dieser direkte, meist kostenneutrale Datenaustausch an Internetknoten zwischen Unternehmen, Clouds, Netzwerken und IT-Dienstleistern sorgt für eine maximierte Bandbreite – und minimale Verzögerung im Datenfluss.

Glasfaser, Mobilfunknetze und Rechenzentren: Nicht nur auf der Hannover Messe, sondern auch im politischen Berlin zeichnet sich ein neuer Kurs für die digitale Infrastruktur in Deutschland ab. Mit einem Sondervermögen will die Bundesregierung dem Investitionsstau entgegenwirken und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts stärken. Dieser Schritt findet breite Zustimmung in der Bevölkerung: Laut einer aktuellen, repräsentativen YouGov-Umfrage im Auftrag von DE-CIX halten 79 Prozent der Befragten eine leistungsfähige digitale Infrastruktur für essenziell, um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu sichern. 80 Prozent sehen als wichtig oder sehr wichtig an, dass in den Netzausbau massiv investiert wird. Allerdings befürchten 43 Prozent, dass der Bereich Digitalisierung beim Einsatz des Sondervermögens gegenüber anderen Themen vernachlässigt werden könnte. Nur rund ein Drittel (32 Prozent) teilt diese Bedenken nicht.

Für den Industriestandort Deutschland gilt mehr denn je: Eine starke Infrastruktur ist das Fundament, auf dem sich Künstliche Intelligenz entfalten kann. Denn KI ist nicht alles – aber ohne KI ist alles nichts.