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Digitalisierung von Hotels – neue Sechs-Sterne-Hotellerie in der Welt nach der Pandemie

Von Ivo Ivanov, CEO DE-CIX International
Juni 2021

Hotel

 Nach 18 Monate andauernden Lockdowns und dem Ende von Abstandsregeln und Reisebeschränkungen wollen 2021 sowohl die Reisebranche als auch Reisende endlich wieder Urlaube genießen. Die Krisenherde rund um den Globus und die anhaltende Verbreitung von neuen Corona-Varianten zeigen jedoch deutlich, dass nach wie vor Vorsicht geboten ist. Während im Jahr 2020 mit Eile Unternehmen digitalisiert und die Internetanschlüsse in Privathaushalten aufgerüstet wurden, wird das Jahr 2021 vom Wunsch geprägt sein, in anderen Lebens- und Arbeitsbereichen ein Stück Normalität zurückzugewinnen, erklärt Ivo Ivanov, CEO von DE-CIX International.

Die Digitalisierung verändert, wie wir verreisen. Dank digitaler Anwendungen können Hotels und andere Beherbergungsbetriebe ihre Mitarbeiter und Kunden bestmöglich schützen und Infektionen im Herkunftsland als auch am Reiseziel so gut es geht vermeiden. Diese Art der kontaktlosen Gastfreundschaft ist jedoch nicht nur für Hotels und anderen Herbergen lohnend. Die Gäste selbst sind zunehmend digital versiert auf der Suche nach der perfekten Unterkunft. Eine effektive, digitalisierte Kundenerfahrung ist deshalb ein Wettbewerbsvorteil im zukünftigen Reisegeschäft, weil sie wie ein zusätzlicher Stern auf die Reiseinteressierten wirkt.

Hotels müssen ein tolles Kundenerlebnis bieten – auch online

Die Digitalisierung des Gastgewerbes erscheint zunächst nicht naheliegend, schließlich will der Reisende ohnehin physisch vor Ort sein. Doch so wie der Einzelhandel das Online- mit dem Offline-Geschäft verschmolzen hat, können Hotels das Beste aus beiden Welten nutzen, um auf die Bedürfnisse und Anforderungen ihrer Gäste einzugehen.

Kontaktlose Dienste sind in der heutigen Zeit eine wesentliche Vorsichtsmaßnahme. Diese können, wie mir Michael Leidinger, Senior VP und CIO bei Hilton International, kürzlich erklärte, über eine All-inclusive-App realisiert werden. Eine solche App zeigt Grundrisse an und ermöglicht die Zimmerauswahl, Buchungen und digitales Ein- und Auschecken. Zusätzlich kann sie als digitaler Schlüssel eingesetzt werden oder Smart-Funktionen im Hotelzimmer steuern. Der nächste Schritt dieser Entwicklung ist bereits zu erkennen: ein KI-gestützter digitaler Butler, der sich in Echtzeit um alle Bedürfnisse des Gastes kümmert – vor, während und nach seinem Aufenthalt.

Inzwischen müssen potenzielle Reisende nicht mehr ihre eigenen vier Wände verlassen, um sich bestmöglich über ihre Reise zu informieren. Online gibt es Beratungsmöglichkeiten, die sämtliche Bedürfnisse und Wünsche für den Traumurlaub abdecken. Viele Hotels bieten inzwischen geführte Virtual-Reality-Touren durch die Hoteleinrichtung an. Kunden können virtuell die Aussicht vom Balkon des gewählten Hotelzimmers testen, den Pool und die Kinderspielbereiche besuchen oder das Hotelrestaurant besichtigen. Sogar die 50 Meter zum Strand können schon vorab virtuell abgegangen werden. Dabei steht in Echtzeit auch ein Live-Hotelführer zur Seite, der individuelle Fragen authentisch beantworten kann und somit im Vergleich zur FAQ-Rubrik auf der Website einen eindeutigen Mehrwert bietet. Auf diese Weise können Hotels potenziellen Gästen einen echten Einblick in den Komfort und die Annehmlichkeiten – die Wettbewerbsvorteile – ihres Hauses bieten, sodass die Gäste wissen, was sie buchen und was sie erwarten können. Denn der Weg zu einem glücklichen und zufriedenen Kunden führt über die Erfüllung seiner Erwartungen.

Das Hotelerlebnis beginnt nicht mehr in der Lobby, sondern im Rechenzentrum und im Netzwerk

Damit all dies funktioniert, müssen die Hoteleinrichtungen vor Ort gut vernetzt sein, damit die Gäste während ihres Aufenthalts digitale Dienste und Anwendungen nutzen können. Aber darüber hinaus muss das globale Netzwerk des Hotelanbieters hervorragend mit Cloud-Lösungen, Geschäftsanwendungen, KI- und Softwarediensten verbunden sein. Natürlich müssen auch die Internetzugangsnetze für potenzielle Gäste und Nutzer von hoher Qualität sein. Die Auseinandersetzung mit den digitalen Diensten muss ebenso nahtlos, einfach und hochwertig sein wie der physische Komfort der Einrichtungen vor Ort. Das Hotelerlebnis des Gastes wird in der Zukunft im Netzwerk des Anbieters beginnen – in den Rechenzentren und den genutzten Interconnection-Plattformen – und nicht mehr in der Lobby des Hotels. Um das höchstmögliche Leistungsniveau zu gewährleisten, muss der Hotelier daher die digitale Reise seiner Kunden kontrollieren, und das erfordert wiederum die Hoheit über die Konnektivität und die Zusammenschaltung.

Moderne, digitalisierte Unternehmen des Gastgewerbes – vor allem die globalen – müssen heute die digitale Infrastruktur, die ihre Daten transportiert, kontrollieren. Dafür gibt es drei Hauptgründe: Perfomance, Datenanalyse (um die geschäftlichen und privaten Bedürfnisse ihrer Kunden vorhersagen und ein besseres Erlebnis bieten zu können) und schließlich das Wachstum ihrer digitalen Vermögenswerte – um ihren Unternehmenswert zu steigern und neue Einnahmequellen mit digitalen Dienstleistungen zu erschließen. Ohne diese Kontrolle über die digitale Infrastruktur können diese Schlüsselfaktoren nicht erreicht und erfüllt werden.

Große Hotelketten verfügen über Häuser auf der ganzen Welt, was bedeutet, dass jeder ihrer Standorte optimal mit lokalen und globalen Netzwerken verbunden sein muss. In Anbetracht der Tatsache, dass ihre Kunden von überall her anreisen können, müssen die Hotels in der Lage sein, ihr digitales Hotelerlebnis überall in der Nähe des Nutzers anzubieten. Eine schlechte Verbindung zum Endnutzer, der seinen nächsten Urlaub recherchiert, wird nicht zu einer Entscheidung zugunsten des Hotels führen. Eine solche effiziente Verbindung mit Netzwerken gewährleistet zudem eine leistungsstarke Konnektivität für die Gäste im Urlaub sowie den reibungslosen Betrieb von Kunden-Apps und IoT-Einrichtungen vor Ort. Darüber hinaus werden Echtzeit-Verbindungen für Gäste zu einer Reihe lokaler digitaler Dienste ermöglicht. Jeder Standort wird so zudem optimal mit dem Rest der Welt für globale Unternehmensinitiativen wie Marketing verbunden.

Hotels und ihre Unternehmensnetze brauchen eine verteilte Infrastruktur und eine gute Interconnection, um dies zu verwirklichen. Sie brauchen den kürzesten und direktesten Weg zu ihren Clouds und anderen digitalen Ressourcen. Vorbei sind die Zeiten, in denen ein Rechenzentrum auf einem Kontinent die Bedürfnisse von Nutzern auf einem anderen bedienen konnte. Das beste digitale Erlebnis für den Endnutzer lässt sich durch die Minimierung von Latenzzeiten erreichen. Das bedeutet, dass Hotels „glokalisiert“ werden müssen – sie brauchen lokale Verbindungen in jedem der Märkte, in denen sie tätig sind, damit sie sich mit ihrer lokalen und globalen digitalen Wertschöpfungskette so nah wie möglich an dem Ort verbinden können, an dem ihre App und ihre digitalen Dienste genutzt werden. Denn wenn es um das perfekte digitale Erlebnis geht, zählt jede Millisekunde.

Kontrolle der Infrastruktur, um das bestmögliche digitale Erlebnis zu bieten

Um die geringste Latenz[1] und damit das bestmögliche Nutzererlebnis zu erreichen, muss das Hotelnetz direkt mit den Netzen seiner vielen Partner (Fluggesellschaften, öffentliche Verkehrsbetriebe, Reiseunternehmen, Tourismusdienste, Sehenswürdigkeiten, lokale Restaurants, Zahlungsdienste oder Reinigungs- und Supportdienste, Datenanalyseunternehmen und Marketingagenturen) sowie mit globalen Content- und Content-Delivery-Netzen, Cloud-Anbietern und den Mobilfunk- und Festnetz-Internetzugangsnetzen (auch via LEO-Satelliten) in jeder Region verbunden werden. Die Interconnection über eine DDoS-freie, geschlossene Benutzergruppe an einem leistungsstarken und sicheren Internet Exchange sorgt dafür, dass die Hotelkette nicht nur die Latenzzeit und die Leistung ihrer Verbindungen verbessert, sondern auch die Datenreise kontrollieren kann, indem sie ihre Unternehmensrichtlinien und regionalen Vorschriften als Voraussetzungen für den Datenaustausch innerhalb der Gruppe festlegt und ihre Datenbestände optimal nutzt.

Latenz ist die neue Währung in unserer modernen, digitalisierten Welt. Egal, welche Strecke Reisende zu ihrem Urlaubsziel zurücklegen, ihre Daten sollten nicht weit reisen müssen. Damit Hotels im digitalen Wettlauf die Nase vorn haben, müssen sie ihren Datenverkehr optimieren und schützen, damit das virtuelle Hotelerlebnis genauso gut ist wie das physische – und das physische sogar noch besser wird.
 

1) Latenz hat mit Reaktionszeiten zu tun: die Zeit, die benötigt wird, um Daten zur Verarbeitung oder Analyse zu senden und bis eine Reaktion erfolgt oder ein Ergebnis sichtbar wird. Für die Datenübertragung ist die Lichtgeschwindigkeit eine natürliche Geschwindigkeitsgrenze, d. h. je weiter die Daten übertragen werden müssen, desto länger ist die Verzögerung.